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2462008 - Reform der Lehrerausbildung – ein unkalkulierbares Risiko!

Äußerst kritisch bis ablehnend reagieren die Lehrerverbände NRW (LNRW), die Kooperation des Philologen-Verbandes, des Verbandes der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen und des Verbandes der Lehrerinnen und Lehrer an Berufskollegs, auf die Reformpläne der Landesregierung zur Lehrerausbildung. „Die Qualität der Lehrerausbildung wird auf dem Altar problematischer Kompromisse und zweifelhafter Zuständigkeiten geopfert“, so Peter Silbernagel, Sprecher der Lehrerverbände.

Im September 2007 hatten sich Schul- und Wissenschaftsministerium auf ein Eckpunktepapier verständigt. Die erste Phase der Lehrerausbildung an den Universitäten soll einheitlich für alle Lehrämter 5 Jahre betragen und gleichzeitig wird der bisher 24-monatige Vorbereitungsdienst (2. Ausbildungsphase, Referendariat) auf nur noch 12 Monate verkürzt. Die Hochschulausbildung gliedert sich in ein 3-jähriges Bachelor-Studium und einen 2-jährigen Master. Das 1. Staatsexamen wird in Nordrhein-Westfalen aufgegeben.

Immer wieder hatten die Lehrerverbände NRW heftig kritisiert, dass die Vereinheit-lichungstendenzen in der Lehrerausbildung dem Anspruch der fachwissenschaft-lichen Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern an Gymnasien, Gesamtschulen und Berufskollegs nicht gerecht werden.

Teile der schulpraktischen Ausbildung, die bisher nach der Hochschulzeit im Vorbereitungsdienst erfolgt, sollen in einem sogenannten ‚Praxissemester’ in die 1. Ausbildungsphase vorverlagert werden. Die LNRW stellen aber in Frage, ob die Hochschulen wesentliche Teile der schulpraktischen Ausbildung überhaupt leisten können. Dann jedoch wäre die krasse Zusammenstreichung des Vorbereitungs-dienstes ein tollkühner Schritt.

Schul- und Wissenschaftsministerium sehen vor, dass künftig sämtliche Hochschulen mit den Studienseminaren (demnächst genannt: Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung) jeweils Kooperationsverträge zur Umsetzung des Praxissemesters abschließen. Das zeigt das ganze Dilemma der Lehrerausbildungsreform. Die Zwangsverpflichtung zur Zusammenarbeit von Hochschulen und Studienseminaren ist brüchig. Während das Praxissemester in den Hochschulen auf wenig

Begeisterung stößt, man will und kann es kaum organisieren, möchten sich diejenigen, die bisher für den Vorbereitungsdienst verantwortlich sind, intensiv einbringen, dürfen es aber nicht.

Die Hochschulen pochen auf ihre Freiheit in NRW. So darf beispielsweise das Schulministerium bei der Überprüfung von Studiengängen (Akkreditierung) nur sehr eingeschränkt mitwirken. Völlig offen lassen die Hochschulen auch, ob sie überhaupt alle Lehramtsstudenten mit einem Bachelor-Abschluss in die Master-Phase hineinlassen. Der Master-Abschluss aber ist Voraussetzung dafür, dass die Studierenden in den Vorbereitungsdienst einsteigen können.

„Die Pläne zur Umsetzung der Eckpunkte beweisen, dass das Reformkonstrukt ‚Lehrerausbildung’ völlig verunglückt ist. Wir haben erhebliche Zweifel daran, dass damit auch nur annähernd die Qualität in der Lehrerausbildung gehalten werden kann“, so Peter Silbernagel, Sprecher der Lehrerverbände.

„Was jetzt auf den Weg gebracht wird, ist eine Fehlentscheidung mit Langzeit-wirkung“, betont Elke Vormfenne, Vorsitzende des Verbandes der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen. „Es ist unverantwortlich, den Vorbereitungsdienst auf die Hälfte zu schrumpfen! Warum zerschlägt man bei diesem Reformvorhaben dasjenige, was bisher – von allen unbestritten – gut funktionierte: den Vorbereitungs-dienst?“

Wolfgang Brückner, Vorsitzender des Verbandes der Lehrerinnen und Lehrer an Berufskollegs, befürchtet, dass die unausgewogenen Pläne die Gewinnung von Lehrernachwuchs insbesondere für die beruflichen Schulen noch weiter erschweren. „Der Lehrermangel wird sich verschärfen, wenn wir keine passende Antwort auf die konkreten Probleme der Berufskollegs in der Lehrerausbildung geben. Es nutzt nichts, wenn Hochschulen nur formal und letztlich widerwillig die Veränderungen mittragen. In Wirklichkeit bleibt die Qualität der Lehrerausbildung auf der Strecke.“

Die langwierigen, monatelang andauernden Verständigungsbemührungen zwischen den beteiligten Ministerien sind keinesfalls zufriedenstellend. Sie zeigen auch - so die LNRW – dass die Zerschneidung des Lehramtsstudiums in eine Bachelor- und in eine Master-Phase kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt auf dem Weg zu einer ‚Lehrerausbildung aus einem Guss’ darstellt. Mit dem Abschied des Landes von der Einflussnahme über die 1. Staatsprüfung wird ein Weg der Unkalkulierbarkeit beschritten. Die Gefahr besteht, dass die Schulqualität in Nordrhein-Westfalen mit dieser Reform einen bleibenden Schaden davonträgt.


Düsseldorf, 24.06.2008

gez. Peter Silbernagel
Sprecher der Lehrerverbände NRW